Wie Mitarbeiter stressresistenter werden

Wie Mitarbeiter stressresistenter werden

Der richtige Umgang mit Stress

Der richtige Umgang mit Stress wird für den einzelnen Mitarbeiter immer bedeutsamer, die zunehmende Arbeitsverdichtung und Personalknappheit, gerade in klinischen Organisationen wird sich aufgrund des bestehenden wirtschaftlichen Drucks in absehbarer Zeit nicht ausreichend verbessern. Die Arbeitsbedingungen wie Zeitknappheit, breiteres Aufgabenspektrum, hohe Verantwortung und der omnipräsente Kostendruck können Überforderung und Burnout begünstigen, sie sind jedoch nicht die Ursache dafür. Ansonsten wäre ein Burnout aufgrund der genannten Faktoren bei jedem Mitarbeitenden früher oder später zu erwarten, dies ist Gottseidank nicht der Fall. Es gibt Menschen, die mit Stress und Belastungen besser umgehen können als andere.
Diese Fähigkeit des Umgangs mit Stress, auch Resilienz genannt, ist eine individuelle Kompetenz und lässt sich als solche auch entwickeln und trainieren. Für den Einzelnen wird es immer wesentlicher, sich um seine eigene Stressbewältigung aktiv zu kümmern. Wenn dies nicht geschieht, verstärkt sich der negative Kreislauf, führt weiterhin zu überlasteten Mitarbeitenden mit abnehmender Produktivität und Arbeitsausfällen, was wiederum durch die verbleibenden Mitarbeitenden abgefedert und kompensiert werden muss. Die jährlichen krankheitsbedingten Fehltage im Jahr 2016 betrugen 15,2 Tage pro Erwerbstätigem. (Quelle: TK-Gesundheitsreport 2017, Stichprobe von 7,3 Millionen Erwerbspersonen). Das Risiko einer Herzerkrankung wird durch ungeeignete Reaktionsweisen auf Stress (z.B. ungesunde Ernährung, weniger Sport, vermehrtes Zigarettenrauchen, schlechter Schlaf und höherer Alkoholkonsum) und durch Stress nachweislich noch weiter gesteigert. Stress gilt als Risikofaktor für Herz-Kreislauf Erkrankungen, der Zusammenhang zwischen Herzinfarkten und Stressbelastung ist seit Jahrzehnten bekannt. Die Anzahl der jährlichen Herzinfarkte ist immer noch sehr hoch, sie lag im Jahr 2016 in Deutschland bei 219.000 pro Jahr (Quelle: Deutsche Gesellschaft für Kardiologie). Die positiven Auswirkungen von Stress werden zwar immer reflexartig erwähnt und als natürliche Reaktionen des menschlichen Organismus beschrieben, diese sind jedoch im Vergleich zu den negativen und vor allem langfristigen Auswirkungen und Konsequenzen von Stress, äußerst gering.
Der in den letzten Jahren häufig beschriebene Begriff des „Burnouts“ ist als Endpunkt von diversen organisationalen Komponenten und individuellen Reaktionsmustern auf die Arbeitsanforderungen im Gesundheitswesen zu sehen. Für den bereits seit Jahren bestehenden, gravierenden Fachkräftemangel in der Pflege und den ärztlichen Berufen wird auf verschiedenen Ebenen nach Lösungen gesucht, bis es jedoch soweit ist, dass diese greifen, kann es noch viele Jahre dauern.
Daher braucht es ein höheres Maß an Eigenverantwortung und Eigeninitiative der einzelnen Mitarbeitenden, um geeignete Bewältigungsstrategien im Umgang mit Stress zu erwerben und für sich selbst individuelle Kompetenzen zur Stressbewältigung am Arbeitsplatz zu stärken. Diese können gelernt und trainiert werden, zahlreiche Ansätze und Methoden haben sich in Studien als effektiv erwiesen.

Ursachen hoher Stressbelastung:

Die zunehmende Überlastung der Mitarbeiter lässt sich auch in anderen Branchen, insbesondere in anderen sozialen Berufen erkennen, in Gesundheitseinrichtungen ist sie durch ein Zusammenwirken vieler negativer Faktoren jedoch besonders stark ausgeprägt. Zu den Hauptursachen tragen die organisationalen Arbeitsbedingungen bei. Gestiegene Flexibilitätsanforderungen, zu wenig Zeit für die Erledigung der einzelnen Tätigkeiten und permanenter Zeitdruck sind nur einige der Aspekte mit denen Mitarbeitende zurechtkommen müssen. Personelle Unterbesetzung und schlechte oder ineffiziente Arbeitsabläufe führen in Krankenhäusern in manchen Bereichen sogar dazu, dass an vielen Tagen keine oder nur stark verkürzte Pausen gemacht werden können. Dies stellt z. B. bei ärztlichen Tätigkeiten in den Notfallambulanzen von Schwerpunkt- oder Maximalversorgern nahezu den Normalfall dar.
Der ständige Zeitmangel führt zwangsläufig auch zu weniger zwischenmenschlichen Interaktionen am Arbeitsplatz, was meist in einer schlechteren Kommunikationsqualität resultiert. Dies kann sich als potentielle Fehlerquelle auch auf die Patientensicherheit auswirken und unnötige, weil vermeidbare Kosten nach sich ziehen.
Gerade Menschen, die in sozialen Berufen tätig sind, bringen häufig noch eine weitere persönliche Disposition mit, durch die es ihnen schwerer gelingt sich abzugrenzen und auf die eigenen Ressourcen zu achten. Der Wunsch, in einem sozialen Umfeld mit Menschen zu arbeiten, durch die eigene Tätigkeit anderen Menschen zu helfen oder sie zu unterstützen, birgt einen weiteren Risikofaktor für die stressbedingte Überforderung. Die Identifikation mit der Aufgabe und die gefühlte persönliche Verantwortung in der Patientenversorgung sind sehr hoch. Häufig sind es daher genau diese Mitarbeitenden, die sprichwörtlich auf ihrem Rücken, organisationale Defizite wie Personalknappheit, Ausweitung des Aufgabenspektrums, Übernahme fachfremder administrativer Tätigkeiten, kompensieren.
Zu den intrapersonellen Themen, die ein Risiko von psychischen Belastungsstörungen darstellen, gehören die zu geringen Entscheidungsfreiräume (Stichwort mangelnde Autonomie), und das hohe Maß an Fremdbestimmung insbesondere durch tätigkeitsfremde Vorgaben und überbordende Administration. Zu wenig Anerkennung und Lob für die geleistete Arbeit sowie mangelnde Wertschätzung im Umgang miteinander verringern die empfundene Zufriedenheit mit der Arbeit.
Wenn dazu noch die eigene hohe Anspruchshaltung (Innere Antreiber, z. B. sei perfekt, zeig keine Schwäche, usw.) und eine geringe Fähigkeit „Nein zu sagen“ dazukommen, ist das Risiko, in Richtung eines Burnouts zu steuern, sehr hoch.

Folgen hoher Stressbelastung:

Die mittel- und langfristigen Folgen der permanenten Überforderung von Mitarbeitenden haben Auswirkungen in drei Bereichen.

  • Persönliche
  • Ökonomische
  • Gesellschaftliche

Persönliche Auswirkungen

Unsere berufliche Tätigkeit ist zu einem wesentlichen Teil für unserer Lebensqualität mitausschlaggebend. Die Identifikation mit der eigenen Leistung und dem Inhalt der Tätigkeit bringen uns Freude und Sinnempfinden, es stärkt unseren Selbstwert und trägt dazu bei, unsere Identität zu formen und aufrechtzuerhalten.
Wenn diese Folgen ausbleiben oder sogar umgekehrt werden, indem wir unsere Arbeit als Quelle für Frustration und Erschöpfung erleben, können wir dies je nach Persönlichkeitstyp unterschiedlich lange kompensieren. Nachteilige Reaktionen und Symptome bleiben jedoch bei keinem Menschen aus. Sie setzen eventuell nicht in der gleichen Reihenfolge oder zum gleichen Zeitpunkt ein. Physische und psychische Erschöpfung führt zu innerem Rückzug bis hin zur inneren Kündigung. Zunehmend kann sich Gleichgültigkeit durch eine Abnahme von Empathie für andere entwickeln, beides eine Reaktion als Symptom von Überforderung.
Zu den körperlichen Reaktionen gehören verminderte Energie und Leistungsfähigkeit, andauernde Müdigkeit, Schwächung des Immunsystems und keine Kraft nach der Arbeit etwas zu unternehmen. Dadurch wird es unwahrscheinlicher, dass Stress durch positive Aktivitäten abgebaut werden kann und es zur notwendigen Regeneration kommen kann.
Unter den psychischen und kognitiven Reaktionen finden sich nachlassende Konzentration, Vergesslichkeit, eine verringerte innere Anteilnahme am Geschehen rings um einen herum, Gereiztheit, möglicherweise die Entwicklung einer Depression.
Zusammenfassend, es kommt zu einer abnehmenden Lebensqualität und verlorener Lebensfreude.

  • Kognitive Ebene: Denk- und Wahrnehmungsprozesse einschließlich deren Bewertung Selektive Wahrnehmung, verallgemeinern, katastrophisieren, Fatalismus
  • Emotionale Ebene: Gefühle und Befindlichkeiten Innerer Rückzug, Versagensangst, „keine Schwäche zeigen“, Gereiztheit, Sinnlosigkeit, Hoffnungslosigkeit
  • Körperliche Ebene: Unbewusste Reaktionen Vegetative und hormonelle Reaktionen z.B. Bluthochdruck, Ausschüttung von Cortisol Adrenalin, bewusste Reaktionen Muskuläre Verspannungen, Schwäche, Kopfschmerz, Müdigkeit, Schlafstörungen

Ökonomische Auswirkungen:

Kliniken und andere Organisationen im Gesundheitswesen müssen wie alle Unternehmen wirtschaftlich agieren, sie müssen Gewinne erzielen oder dürfen zumindest längerfristig keine Verluste erwirtschaften. Diesem Credo unterliegt jegliche Planung und Steuerung der Organisation. Dies zu negieren oder verändern zu wollen wäre nicht zielführend bzw. unrealistisch. Dennoch sollte stets mitberücksichtigt werden, dass die oben skizzierten strukturellen Mängel auf der Mitarbeiterebene, mittel- und langfristig zu deutlich erhöhten Kosten führen.
Der Kreislauf von schlechterer Versorgungsqualität aufgrund Stressbelastung führt zu Personalausfällen und Personalknappheit durch nicht besetzbare Stellen (wegen Fachkräftemangels oder geringer Attraktivität der Stelle), höherer Fehlerhäufigkeit bis hin zu Patientenschäden. Die daraufhin steigenden Haftpflichtprämien befördern zusätzlich die Kostenschraube.

Gesellschaftliche Auswirkungen:

Die Attraktivität der Berufe im Gesundheitswesen ist von hoher gesellschaftlicher Relevanz. Jedoch halten frustrierende Arbeitsbedingungen durch permanenten Zeitdruck und der hohen körperlichen Arbeitsbelastung durch Nachtdienste, hohe Verantwortung in Kombination mit einer geringen finanziellen Entlohnung zunehmend viele junge Menschen davon ab sich für diese Berufe zu entscheiden. Diese personellen Lücken können nur kurz- und mittelfristig durch die zunehmende Stellenbesetzung mit ausländischen Mitarbeitenden kompensiert werden, denn auch diese unterliegen denselben Risiken für Überforderung.

Möglichkeiten der Stressbewältigung:

Für Mitarbeitende ist die individuelle Prävention der wichtigste Ansatz um stressbedingten Folgen entgegenzusteuern und die eigene Widerstandskraft (Resilienz) zu erhöhen.
Selbstverantwortung ist hierbei die erste und wichtigste Botschaft.
Eine realistische Einschätzung der eigenen Belastbarkeit und die Kenntnis der eigenen Stressquellen sind die Basis für den Aufbau von Methoden zur Stressbewältigung. Diese ermöglicht, frühzeitig auf erste Warnzeichen stressbedingter Überforderung zu reagieren.
Es gilt, die Belastungsquellen zu identifizieren und Möglichkeiten zu kennen, die auch in Alltagssituationen anwendbar sind, um übermäßige Belastung zu vermeiden und sich zu regenerieren. Nur eine individuelle Stressbewältigung führt zu höherer Resilienz und diese muss tagtäglich stattfinden, es reicht nicht, sich Stressregeneration für den Urlaub aufzuheben.

WAS: Wahrnehmung der eigenen Empfindungen (Selbstwahrnehmung) WIE:  Geeignete Entspannungsmethoden und Regenerationsmöglichkeiten finden

WAS: Denkmuster überprüfen auf Lösungsorientierung (Selbstverantwortung) WIE: Kraftquellen und sinnstiftende Aktivitäten außerhalb der Arbeit finden

WAS: Realistische Einschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit WIE: Die eigenen Stärken und Potentiale erkunden und darauf fokussieren

WAS: Erkennen von Stressquellen und Reaktionsmustern WIE: Soziale Beziehungen stärken (Zeit reservieren für Freunde und Familie)

WAS: Aktiver Umgang mit Schwierigkeiten, Lösungsorientierung WIE: Optimistische Grundhaltung erlernen und lernen in der Gegenwart zu leben

Alltagstaugliche Strategien finden

Wie berechtigt Klagen über die Arbeitsumstände, die zunehmende Arbeitsverdichtung und den empfundenen Stress auch sein mögen, an der individuellen Belastung verändern werden sie nichts. Nur mit Eigeninitiative kann der Einzelne den negativen Auswirkungen etwas entgegensetzen.
Belastungen und überfordernde Situationen werden immer vorhanden sein. Dass neben der individuellen Prävention und der Arbeit an den eigenen Bewältigungsstrategien auf jeden Fall auch die Organisationen große Aufgaben zu bewältigen haben, ist selbstredend. Nur darauf zu hoffen, dass sich die Arbeitsbedingungen seitens der Organisation irgendwann optimal ausrichten werden, bringt jedoch nichts. Auf organisationaler Ebene ist in den letzten Jahren durch den Gesetzgeber einiges in Gang gesetzt worden, z.B. das Präventionsgesetz für die betriebliche Gesundheitsförderung, das seit Juli 2015 in Kraft ist und die Unternehmen verpflichtet, für ein Arbeitsumfeld zu sorgen, dass den Erhalt der Gesundheit fördert.
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/betriebliche-gesundheitsfoerderung.html
In erster Linie ist es eine eigenverantwortliche Aufgabe jedes Einzelnen, wirksames Selbstmanagement zu betreiben, gut für sich selbst zu sorgen, sich gesund und leistungsfähig zu erhalten. Es gibt dafür hilfreiche Strategien und Bewältigungsansätze, die gerade in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus der individuellen Prävention gerückt sind. In diese Strategien sind Erkenntnisse und bewährte Ansätze aus der Stressforschung und der Depressionsbehandlung (z.B. MBSR Programme) eingeflossen. Dazu gehören Entspannungsverfahren wie autogenes Training oder progressive Muskelentspannung, Yoga, oder lediglich Übungen zum richtigen Atmen, Kurzmeditationen und Sport.

Mitarbeitende sollten sich unter professioneller Anleitung mit der eigenen Stressbewältigung auseinandersetzen und dabei eine individuelle, Resilienz fördernde Strategie entwickeln und üben diese konkret anzuwenden und im beruflichen Alltag beizubehalten. Dies kann in einem vom Arbeitgeber oder den Krankenkassen angebotenen Seminar oder Kurs zum Thema Stress und Resilienz gelernt werden. Bei der Auswahl eines Kurses sollte darauf geachtet werden, dass der Kursanbieter fachlich qualifiziert ist und einen ganzheitlichen und individuellen Ansatz nutzt. Kurse, die nur eine Methode propagieren oder nur eine Art der Stressbewältigung vorgeben, sind wenig nachhaltig, da sie vernachlässigen, dass Menschen sehr unterschiedlich reagieren und unterschiedliche Lösungsstrategien wirksam sind. Was für den einen Mitarbeitenden eine hilfreiche Methode darstellt kann bei dem nächsten wenig hilfreich bis kontraproduktiv sein, indem es Erfolgsdruck aufbaut und so eine zusätzliche Belastung darstellt. Es gilt, die eigenen Stressquellen und die eigenen Reaktionsmuster zu erkennen und dafür eine passende individuelle Strategie zu entwickeln.

Gerne unterstützen wir Sie bei Fragen zur Stärkung Ihrer Stessresistenz. Kontaktieren Sie uns unter Email: re@euteneier-consulting.de

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