Digitalisierung in der Medizin

Digitalisierung in der Medizin

Die Digitalisierung in der Medizin und hier im Speziellen in der direkten Patientenversorgung bleibt weiterhin ein Sorgenkind. Über die Gründe, woran das liegen mag, kann spekuliert werden. Ist es die hohe Diversität der verschiedenen Prozesse im Krankenhaus, deren individuelle Ausrichtung an patientenspezifischen Erkrankungen und Verletzungen, oder ist es das fehlende Verständnis der Krankenhausleitungen bezüglich der Chancen und Vorteile durch die  Informationstechnologie an sich?

Während in der freien Wirtschaft die Rede von der Industrie 4.0 ist, was schlicht und ergreifend die vierte industrielle Revolution beschreibt, scheint in der Krankenversorgung weiterhin eine nationale IT-Bewegung zu fehlen. Während die Bundesregierung über eine neue Hightech-Strategie (http://www.hightech-strategie.de/) das Thema IT und Industrie weit nach vorne „pushed“, scheint es in der Patientenversorgung mit IT - immerhin ist das Gesundheitswesen die größte Wirtschaftsbranche in Deutschland, noch vor der Autoindustrie –nur Insellösungen zu geben, die mit großem individuellen Aufwand implementiert werden.

Es bedarf jedoch klarer Standards, Rahmenbedingungen und Regeln, wie IT-Systeme in der Gesundheitsversorgung miteinander interagieren sollen bzw. müssen. Des Weitern werden IT-Sicherheitsfragen für das Krankenhaus immer wichtiger (siehe Artikel „Die Trojaner greifen an“)

Hier konnte die Frühjahrstagung der Krankenhaus-IT-Leiter in Leipzig 2016 ein kleines Zeichen setzen. So soll der IHE Standard (Integrated Healthcare Enterprise IHE) verstärkt standardisiert und ausgebaut werden. IHE ist eine Initiative von Anwendern und Herstellern mit dem Ziel, den Datenaustausch zwischen IT-Systemen im Gesundheitswesen zu standardisieren und zu harmonisieren. Derzeit bleibt jedoch der IHE-Standard weiterhin für die Hersteller unverbindlich und somit bleibt das infrastrukturell bedingte, systemische Risiko der Inkompatibilität von IT-Systemen bestehen.

Was es braucht ist eine nationale/europäische/internationale Strategie, die abzielt auf

  • IT-Einheitlichkeit
  • IT-Modularisierung
  • IT-Standardisierung und besonders auf eine Schnittstellen bezogene
  • Herstellerunabhängigkeit.

Ziel sollte ein IHE-konformes Medizinisches Netzwerk sein, in dem standardisierte Abläufe der sektorenübergreifenden Patientenversorgung kein Fremdwort mehr ist. Was das Gesundheitssystem in Dänemark zu Wege bringt sollte auch in Deutschland möglich sein (www.medcom.dk).

Was es braucht sind nationale Vorgaben und Budgets für Krankenhaus-IT Abteilungen, um eine entsprechende IHE-konforme Infrastruktur aufzubauen. Steht innerhalb der Organisation kein Know-How zur Verfügung, sollte entsprechendes Wissen von extern in die Organisation gebracht werden. Nur so lassen sich strategische Fehlentwicklungen vermeiden und langfristig Kosten ersparen. (https://www.kh-it.de/tagung/events/id-2016er-fruehjahrstagung.html)

ISO 9001 (2015) – Auswirkungen auf das Qualitätsmanagement und Risikomanagement

ISO 9001 (2015) – Auswirkungen auf das Qualitätsmanagement und Risikomanagement

Die neue ISO 9001 (2015) ist veröffentlicht und wird ab 2018 nach einer Übergangsphase von 3 Jahren zum ersten Mal verbindlich zertifiziert. Die International Organization for Standardization hat nunmehr auch das Topic risikobasiertes Denken (im unternehmerischen Kontext) in den Fokus gerückt. Dabei werden Risiken stets auch als möglichen Chancen gesehen.

Die ISO 9001 greift den allgemein spürbaren Trend in der Wirtschaft auf, risikobasiertes Denken in alle Prozesse, von der Planung, Durchführung, Evaluation und Korrektur, gemäß dem PDCA-Zyklus, zu integrieren. Dabei kann die neue ISO 9001 (2015) dahingehend interpretiert werden, dass es sich dabei um eine Erweiterung des bestehenden Qualitätsmanagement-Systems handelt, und nicht um ein eigenständiges neues Risikomanagement-System. Hier verweist die ISO 9001(2015) bewusst auf die bereits bestehende ISO 31000 (2009), die sich laut OECD quasi als Weltstandard für Risikomanagement-Systeme etabliert hat.

Die wichtigsten Neuerungen zum risikobasierten Denken befinden sich in den Abschnitten 4, 5 und 6. In Abschnitt 4 wird darauf verwiesen, dass „Die Organisation verpflichtet ist ihre QMS-Prozesse zu definieren und ihre Risiken und Chancen zu benennen. In Abschnitt 5 wird die Führung in die Pflicht genommen, analog der Forderung des gemeinsamen Bundesausschuss, "ein Bewusstsein zu schaffen für risikobasiertes Denken (Promote awareness of risk-based thinking) und Risiken und Chancen zu bestimmen, die Einfluss auf die Produkt/Dienstleistung-Konformität haben (Determine and address risks and opportunities that can affect product /service conformity). In Abschnitt 6 schließlich werden diese neuen Aspekte mit dem Qualitätsmanagement verbunden, indem die Organisation in die Pflicht genommen wird, Risiken und Chancen in Verbindung mit der QMS-Performance zu identifizieren und adäquate Maßnahmen zu ergreifen, um diese zu adressieren (the organization is required to identify risks and opportunities related to QMS performance and take appropriate actions to address them).

Inwieweit sich die neuen ISO 9001 (2015) - Vorgaben in praktische Maßnahmen und adaptierte Prozesse übersetzen lassen, wird sich noch zeigen. Jedenfalls erscheint es nur sinnvoll und konsequent, das Thema Chancen und Risiken in den unternehmerischen Gesamtprozess des Qualitätsmanagements zu integrieren.

Diese erweiterte Denkweise in den klinischen Alltag zu integrieren, stellt eine große Herausforderung dar, da bei aller Beliebtheit und Verbreitung des ISO 9001-Standards der Transfer in die bestehenden Prozesse der Patientenversorgung stets einer konzertierten und wohlüberlegten Herangehensweise bedarf, um so das größtmögliche Potenzial aus der neuen ISO 9001 (2015) heraus zu holen.